Die Gründungszeit

Die Schützenbruderschaften oder Schützengilden entstanden nachweislich um 1300 in Flandern und breiteten sich sehr rasch über den nordeuropäischen Raum aus. Als freiwillige Vereinigung von Bürgern widmeten sie sich Schießübungen, wodurch sie ihre Wehrtüchtigkeit ausbildeten. Die Landesherren und die freien Städte waren von Anfang an auf die Waffenfähigkeit der Bevölkerung angewiesen. Deshalb hatte der Schießsport schon früh viele Anhänger gefunden. Diese Vereinigungen standen den Obrigkeiten bei Gefahren als Hilfe zur Verfügung, weshalb sie von diesen tatkräftig Unterstützung erfuhren. All ihr Leben und Streben war grundsätzlich dabei an der Kirche ausgerichtet. Darin stimmten sie mit den Zünften überein. Wie bei diesen gehörte zur Mitgliedschaft die aktive Mitgliedschaft zur Kirche und ihren religiösen, karitativen und sonstigen Aufgabengebieten und folgerichtig die Unterstellung unter kirchliche Patronate, wobei eine besondere Rolle dem Sebastianus-Patronat zukam. Der Höhepunkt der rheinischen Schützengesellschaften ist vom flandrischen Ausgangspunkt das 15. Und 16. Jahrhundert gewesen. Zu diesem Zeitpunkt müssen wohl die ersten Bruderschaften im hiesigen Raum entstanden sein.

Die Weisweiler Sankt Sebastianus Schützenbruderschaft beklagt mit so vielen anderen Vereinigungen rheinischer Schützen den Verlust der ältesten Belege über die Entstehung der Organisation, sowie ihr Alter und ihre Wandlungen.

Unsere Bruderschaft stützt sich so nun dabei auf die spärlich vorhandenen Aufzeichnungen und Unterlagen früherer Schützenmeister, Geschichtsforscher und der Kirchengemeinde. Bei dem großen Brand von Weisweiler im Jahre 1859, wo der ganze Markt abbrannte, sind nahezu alle alten Unterlagen verlorengegangen. Erhalten geblieben war jedoch die Schützenkette mit dem Königsvogel. Hiernach lässt sich jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit die Gründungszeit der Weisweiler Bruderschaft feststellen.

Glücklicherweise haben wir eine Abbildung des Originals dieses Königsvogels aus dem Archiv des Zentralverbandes der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften in Köln vorliegen. Das Brauchtum, der Königskette einen Königsvogel einzufügen, bürgerte sich schon im 15. Jahrhundert ein. Der abgebildete Königsvogel, ein Papagei, ist eine hervorragende Arbeit mittelalterlicher Goldschmiedekunst. Er ist in Silber getrieben und trägt auf dem Kopf eine goldene Krone mit der Jahreszahl 1579. Zunächst wurde angenommen, dass dies das Gründungsjahr unserer Bruderschaft war. Am Hals des Vogels hängt jedoch eine Ehrenmedaille von 1529 mit der Inschrift:

„TURK BLEGERT WIEN 1529“

Diese Medaille erinnert an die Rückkehr der Weisweiler Schützen aus dem Türkenkrieg und sie wurde zum Andenken an die erste Belagerung Wiens durch die Türken geprägt. Der größere Schild unterhalb des Königsvogels trägt die Jahreszahl 1634 und wurde laut Inschrift von „Wilhelm Hendrych Reychs Graff von Hatzfeldt“ gestiftet. Die kleineren Schilder unten stammen ebenfalls von den Grafen Hatzfeld und Palandt.

Aus Aufzeichnungen des früheren Weisweiler Pfarrers Leopold von Schütz (Pfarrer in Weisweiler von 1917 bis 1934) versichert dieser, dass es geschichtlich feststehe, dass Weisweiler Schützen an dem Einsatz des Türkenkrieges teilgenommen hätten. Somit ist das Jahr 1529 das älteste Erinnerungsdatum der Weisweiler Bruderschaft und sie kann ihr Bestehen von diesem Datum an rechnen.

Überhaupt spielen die Grafen von Hatzfeld in der Geschichte von Weisweiler und unserer Bruderschaft eine bedeutende Rolle. Eine Tafel zeigt den Totenschild des in der Pfarrkirche von Weisweiler im Jahre 1745 bestatteten Grafen Wolfgang von Hatzfeld.

Die Mitte des Schildes zeigt das Hatzfelder Grafenwappen. Das erste und vierte Feld des viergeteilten Wappens enthält zwei schwarze, doppelte Mauerhaken im gelben Felde, das alte Hatzfelder Wappen; das zweite und dritte Feld zeigt drei rote Mispelblüten in weißem Felde, belegt mit einem Herzschilde, worauf das Palant´sche Wappen, sechs mal schwarz und gelb quergeteilt, gekrönt, zum Andenken an diese im Stamme Palant-Cuylenberg ausgestorbene Familie, zu sehen ist. Dieses Wappen war dann auch später ein Teil des Wappens der Gemeinde Weisweiler. Über dem Wappenschilde sind drei gekrönte Helme mit Helmschmuck, auf dem mittleren steht der schwarze doppelte Adler, ein Gunstbeweis bei Erhebung in den Reichsgrafenstand. Den Schild halten zwei geharnischte Männer mit Helm und Hellebarden, der rechte mit einer roten, der linke mit einer schwarzen Gewandung bekleidet. Die Umschrift um den Wappenschild lautet:

„An. 1745 – Den 15. Juni – starb der Hochgeboren – Herr Wolfgangus – Theobalduns - -Antonius des Heiligen Römischen Reiches Graff von Hatzfeld – Herr zu Bourheim – Wachendorf – Güttinghoven – Grochaw – und Rigersdorf – Iro Churfürst – Durch – zu Phaltz – Genra – Maior – von dero Cavalleri – und Oberambtman dero Haupt – Stat. – und – Ambts – Gülich – Cuius –anima – requiescat in pace.“

Die Hatzfelder Gedenktafel gibt Veranlassung, dieses alte Grafengeschlecht, das einst in den Jülicher Landen die Geschicke der ehemaligen Herrschaft Weisweiler lenkte, in Erinnerung zu bringen. Die Grafen Hatzfeld, die ihrem Ursprüngen nach zu den ältesten Adelsgeschlechtern gehören, treten in der Geschichte Weisweilers im Jahre 1509 in Erscheinung. In diesem Jahr gelangte die alte Burg Weisweiler durch die Heirat des Johann von Hatzfeld-Wildenburg mit Anna von Harf zu Linzenich, der Herrin von Weisweiler, in ihren Besitz. Dort war einst ein Adelsgeschlecht gleichen Namens, de Wizwilre, ansässig gewesen. Als Graf Wilhelm IV. von Jülich in der berühmten Gertrudisnacht des Jahres 1278 Aachen zu überrumpeln gedachte, fiel unter anderen mit den niedergestreckten Grafen auch Reiner von Weisweiler. Eine Federzeichnung des Schlosses aus dem achtzehnten Jahrhundert lässt die ehemalige Weisweiler Burg als einen langgestreckten, fensterreichen, mit der Hauptfront scheinbar nach Osten gewandten Bau erkennen, was auch aus der baulichen Anlage der noch heute vorhandenen Umfassungsmauern geschlossen werden muss. Ein alter, 6 Meter tiefer Wassergraben, über den eine Zugbrücke durch das noch vorhandene Eingangstor in die Burg führte, wurde vor einigen Jahrzehnten zugeschüttet. Die Umfassungsmauern stammen noch aus der Zeit, in der die Hatzfelds Herren von Weisweiler wurden.

Auf Johann von Hatzfeld folgte sein Sohn Werner, der Stammherr genannt, Vater von zwölf Kindern, dann Wilhelm, vermählt mit Maria von Velbrück. Vor dem Jahre 1680 treten die Hatzfelds in den Erinnerungen der Lokalgeschichte nicht hervor. Nur vom letztgenannten Wilhelm Heinrich wissen wir, dass er Stifter unserer Erzbruderschaft gewesen ist, da eine spätere Urkunde ihn, den Großvater des Grafen Edmund Florens, als Stifter bezeichnet. Diese volkstümliche Bruderschaft verehrte insbesondere die heiligen fünf Wunden Jesu Christi, veranstaltete im achtzehnten Jahrhundert allmonatlich an den Bruderschaftssonntagen eine Prozession durch die Herrschaft und stand in großer Blüte. An die Bruderschaft erinnert ein noch heute vorhandener großer in Messing getriebener siebenarmiger Wandleuchter mit dem Wappen der Bruderschaft. Dieser Wandleuchter wurde in den siebziger Jahren restauriert und ziert u.a. unsere Pfarrkirche St. Severin.

Weitere Aufzeichnungen sind bis zum Jahre 1897 leider nicht erhalten, da alle Unterlagen, wie Protokolle und Kassenbücher, bei dem großen Brand von Weisweiler im Jahre 1859 sowie auch zum Teil in den beiden letzten Weltkriegen verloren gegangen sind. - weiterlesen -